Deutschland hat heute trotz der laufenden Energiewende noch immer eine 80-prozentige Abhängigkeit seiner Energieversorgung von fossilen Energiequellen. Und diese Abhängigkeit hat sich in den vergangenen 20 Jahren auch nur sehr langsam verringert. Auch bei maximaler Beschleunigung der Energiewende wird es bis zur 50%-tigen Umstellung noch viele Jahre brauchen. Mit den Ukrainekrieg macht sich sehr spät die Erkenntniss breit, das man die Kontrolle über Infrastrukturinvestitionen nicht einfach den Kräften des Marktes überlassen darf.

Strategisch – aber nicht notwendigerweise freundlich denkende Lieferanten – haben über Preisimpulse die energetische Infrastruktur der Republik in Form von Pipelines, Gasterminals, Gasspeichern und Ölraffinerien in ihrem Interesse entwickelt. Inmitten einer Krise stellen wir fest, dass uns die Gier nach billiger Energie blind gemacht hat gegenüber der Gefahr, dass ausländische Herrscher bestimmen ob, wann und wieviel Energie wir zu einem gegebenen Zeitraum bekommen.

Gleichzeitig stellt man überrascht fest, dass die in Frage kommenden Versorgungsländer mit wichtigen Reserven an fossilen Energieträgern sich fast vollständig in der Hand von autokratischen Regierungen befinden. Unter dem Gesichtpunkt wertebasierter Politik kann man nur geringe Vorteile erkennen wenn ein Lieferland wie Russland durch Aserbeidjan, Turkmenistan, Saudiarabien oder Katar ersetzt wird.

Es ist leicht einsehbar, dass Entscheidungen über Investitionen in Infrastruktur fossiler Energieträger zukünftig sicherheitspolitischer Kontrolle unterworfen werden müssen. Kein Mensch würde auf die Idee kommen die Streitkräfte zur Sicherung der nationalen Souveränität unter dem Gesichtpunkt der Kostenminimierung im Ausland zu leasen. Bei den Entscheidungen für Nordstream I und II, beim Bau von Pipelines aus dem Mittelmeer, dem schwarzen Meer, dem Kaspischen Meer und beim Bau von Gasterminals haben wir uns wie sicherheitspolitische Erstklässler verhalten, die dem bösen Mann gierig die Schokolade aus der Hand gerissen haben.

Die Lösung dieses Problems liegt auf der Hand. Deutschland muss durch nationale Investitionen in die übergangsweise erforderliche fossile Infrastruktur sicher stellen, dass jederzeit ausreichende Kapazitäten vorhanden sind um Komplettausfälle ganzer Versorgungsregionen kompensieren zu können. In dieser Sache sollten wir uns ein Beispiel an Russland nehmen. Russland hat mit Nordstream I und II in Überkapazitäten investiert, die einzig den Zweck haben unabhängig von Durchleitungen in der Ukraine, Weissrussland und Polen zu sein. Diese Kapazitäten kosten leider sehr viel Geld aber sie sind zur Wiedererlangung unserer nationalen Souveränität in Versorgungsfragen unvermeidbar. Die Grundsätze der Sicherheitspolitik gelten für Infrastruktur der Energie genauso wie für die Aufstellung und Ausrüstung von Streitkräften. Es ist bitter, dass wir diese Investitionen nicht sofort in den Ausbau der Erneuerbaren stecken können.

Die Zeitenwende erfordert es ein Sondervermögen von 100 Milliarden € für die Bundeswehr zu bilden und zukünftig 2% des BIP für die Bundeswehr auszugeben. Das ist offenbar erkannt worden. Aber wo in der politischen Diskussion unterhält man sich über die Kosten der energetischen Infrastruktur? Man sollte nicht vergessen, dass ja nicht nur die fossile Energie sonder auch die erneuerbaren riesige Investitionen erfordern. Wo bitte ist die strategische Planung und die Formulierung von Rahmenbedingungen, die eine sinnvolle Investitionslenkung erst möglich machen. Sie haben noch sehr viel zu tun Herr Scholz, Herr Habeck und Herr Lindner.